Drogenkurier Verhandlung heute vor dem Landgericht Mönchengladbach – Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wurde unserer Mandantschaft heute vorgeworfen. So weit, so gravierend. Nach § 30 I Nr. 4 BtMG beträgt die Mindestfreiheitsstrafe hierfür schon zwei Jahre. Das besondere an diesem Fall war die “unfassbare Menge an Betäubungsmitteln” (Zitat Bundespolizei Kleve), die hier bei dem Drogenkurier aufgefunden wurde.
Umso aussergewöhnlicher ist das Ergebnis, das wir hier für die Mandantschaft erzielen konnten: 4 Jahre 9 Monate Freiheitsstrafe
Unserer Mandantschaft wurde vorgeworfen, 24 Kilogramm Kokain von Holland nach Deutschland als Drogenkurier eingeführt zu haben. Durch dieselbe Handlung soll der Kurier Hilfe zum Handeltreiben geleistet haben. Die Betäubungsmittel wurden in einem dafür präparierten Fahrzeug bei einer Verkehrskontrolle aufgefunden. Im Fahrzeug war ein Fach eingeschweißt, in dem die 24 Kilogramm Kokain noch in den Niederlanden deponiert wurden. Unsere Mandantschaft soll das Fahrzeug in den Niederlanden übernommen und nach Deutschland gefahren haben.
In Fällen von Drogenkurieren ist oft der Vorsatz problematisch. Grundsätzlich ist nur vorsätzliches Handeln strafbar, außer das Gesetz ordnet die Strafbarkeit fahrlässigen Handelns ausdrücklich an (vgl. § 15 StGB). Vorsatz bedeutet, dass der Täter den tatbestandlichen Erfolg zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Der einfache Kurier weiß oft selbst nicht, welches Betäubungsmittel in welcher Menge sich im Fahrzeug oder Gepäckstück befindet. In vielen Fällen wird der Drogenkurier auch über die tatsächliche Menge belogen und ihm wird eine deutlich niedrigere Menge genannt.
Die Rechtsprechung nimmt seit vielen Jahren an, dass der Drogenkurier grundsätzlich davon ausgehen muss, dass sich auch eine größere Menge im Gepäck befinden kann. Das gilt auch, wenn er eine unbestimmte Menge transportiert. Die Rechtsprechung geht auch von Vorsatz aus, wenn der Drogenkurier von einer geringeren Menge ausgeht und sogar wenn ihm eine geringere Menge von seinen Hinterleuten zugesagt wurde, sich aber ein Vielfaches davon im Gepäck befindet.
Zwar wird ein Drogenkurier, der weder auf die Menge des ihm übergebenen Rauschgiftes Einfluß nehmen, noch diese Menge überprüfen kann, jedenfalls dann, wenn zwischen ihm und seinem Auftraggeber kein persönliches Vertrauensverhältnis besteht, in der Regel auch damit rechnen müssen, daß ihm mehr Rauschgift zum Transport übergeben wird, als man ihm offenbart. Läßt er sich auf ein solches Unternehmen ein (z.B. weil ihm die zu transportierende Menge gleichgültig ist), dann liegt es auf der Hand, daß er die Einfuhr einer „Mehrmenge“ billigend in Kauf nimmt.
Gegen einen derartigen bedingten Vorsatz können allerdings Umstände sprechen, die dem Kurier die Überzeugung zu vermitteln vermögen, sein Auftraggeber habe ihm die Wahrheit gesagt.
BGH, Beschluß vom 31. 3. 1999 – 2 StR 82–99
Diese Ansicht ist meines Erachtens hoch problematisch. Auch in dem Fall heute musste ich Gericht, Staatsanwalt und sogar den Verteidiger des Mitangeklagten deutlich darauf hinweisen, dass selbstverständlich trotzdem eine Abwägung im Einzelfall getroffen werden muss. Insbesondere musste ich alle Beteiligten darauf hinweisen, dass der Fall hier keineswegs so klar lag. Mit einer Menge von 24 Kilogramm Kokain rechnet nämlich wohl kein Drogenkurier. Wenn in dem Fahrzeug zum Beispiel 500g Kokain gefunden worden wären oder sogar ein Kilo, könnte man wohl zu Recht darauf verweisen, dass man damit als Kurier rechnen musste. Die hier vorliegenden 24 Kilogramm Kokain sind derart ungewöhnlich, dass damit kein Kurier ernsthaft rechnen würde. Immerhin handelt es sich um Kokain mit einem Straßenverkaufswert von weit über einer Million Euro. Sogar die Staatsanwaltschaft bezeichnete in ihrem Plädoyer die Menge als “unglaublich”. Auch diese Bezeichnung habe ich als Argument dafür genutzt, dass unsere Mandantschaft diese Menge gerade nicht billigend in Kauf genommen hatte. Mit einer Menge, die die Staatsanwaltschaft als “unglaublich” bezeichnet und die sogar die in Betäubungsmittelstrafrecht abgebrühte Autobahnpolizei an der Grenze zu den Niederlanden “unfassbar” nennt, musste unsere Mandantschaft eben nicht für möglich halten. Daher war auch nicht davon auszugehen, dass unsere Mandantschaft die Menge billigend in Kauf nahm.
Im Ergebnis wirkten sich hier viele strafmildernde Umstände deutlich zugunsten unserer Mandantschaft aus. Dieses Ergebnis sollte keinesfalls übertriebene Hoffnungen wecken. Eine derart milde Strafe ist extrem ungewöhnlich. Wir hatten unsere Mandantschaft eher auf sieben oder acht Jahre eingestellt. Diese Erwartung war nicht nur realistisch sondern die vorliegende Menge hätte auch für eine Verurteilung zu neun oder zehn Jahren gereicht. In den Justizvollzugsanstalten geistert unter den Untersuchungsgefangenen sogar die Faustregel umher: “Ein Jahr pro Kilogramm Kokain.”