Am Samstag gegen 21 Uhr kontrollierte die Regensburger Polizei eine Gruppe von Jugendlichen, die lautstark in der Innenstadt aufgefallen war. Dabei kam es zu einem Handgemenge in dessen Verlauf ein Polizist zu Boden ging. Ein 17-jähriger Afghane trat dabei dem am Boden liegenden Polizisten mehrfach gegen den Kopf. Dieser erlitt eine Gehirnerschütterung.
Wie ist hier die Strafbarkeit zu bewerten?
Je nach Sachverhalt ist hier eine Bewährungsstrafe oder eine deutliche Jugendstrafe für den Täter möglich. Sollte sich der Sachverhalt bestätigen, könnte hier zum Beispiel eine Jugendstrafe von eineinhalb Jahren verhängt werden, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Dass der Täter ausgewiesen und abgeschoben wird, ist möglich, jedoch aktuell nicht besonders wahrscheinlich.
Am 30.05.2017 trat der neue § 114 StGB in Kraft. Dieser sieht für den tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte maximal bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe vor. Dieser Tatbestand dürfte hier unproblematisch vorliegen.
Was ist jedoch mit gefährlicher Körperverletzung oder gar dem versuchten Totschlag?
Nach § 17 I JGG verhängt der Richter Jugendfreiheitsstrafe nur, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
Gefährliche Körperverletzung
Hier dürfte wohl von einer gefährlichen Körperverletzung auszugehen sein, damit liegt der Strafrahmen bei bis zu 5 Jahren Jugendstrafe.
Gefährliche Körperverletzung liegt insbesondere vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendet oder die Tathandlung lebensgefährlich ist. Hier geistert seit Jahrzehnten der “beschuhte Fuß” durch die Rechtsprechung. Der “beschuhte Fuß” zählt sozusagen als gefährliches Werkzeug, wenn er wie eine Waffe verwendet wird. Die Anwendung des Tatbestandes der gefährlichen Körperverletzung kommt dann in Betracht, wenn der Einsatz des Tatmittels nach der konkreten Tatausführung geeignet war, nicht unerhebliche Verletzungen des Opfers herbeizuführen. “Davon kann bei Tritten mit einem „beschuhten“ Fuß nur dann ausgegangen werden, wenn der Täter entweder schweres Schuhwerk trägt oder aber „normale“ Schuhe konkret gefährlich einsetzt”
(BGH, Beschl. v. 26.10.2016, 2 StR 253/16). Maßgeblich ist die potentielle Gefährlichkeit des verwendeten Werkzeugs, also des Schuhs. Tritte gegen den Kopf sind als solche für das Leben des Getretenen generell gefährlich. Sie kennzeichnen – zumal bei Tatausführung gegen ein hilflos am Boden liegendes und somit wehrloses Opfer – ein äußerst brutales Vorgehen des Täters (NStZ 2017, 164, beck-online).
Versuchter Totschlag
In Betracht kommt auch der Straftatbestand des versuchten Totschlages §§ 212 I, 23 I StGB, der mit bis zu 10 Jahren Jugendstrafe bestraft wird. Dieser ist erfüllt, wenn der Täter den Tod des Opfers ernsthaft für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.
Starkte Tritte gegen den Kopf eines am Boden liegenden können lebensgefährlich sein. Über Leben und Tod entscheidet in diesem Fall möglicherweise nur noch der Zufall und wenige Zentimeter. Bei massiven Tritten gegen den Kopf eines hilflos am Boden liegenden Menschen muss das Vorliegen bedingten Tötungsvorsatzes zwingend überprüft werden. (MüKoStGB/Schneider StGB § 212 Rn. 38-40, beck-online) Die Kopfregion ist hochsensibel. Daher muss auch einem alkoholisierten oder sich in Rage befindlichen Täter bewusst sein, dass der Tod des Opfers bei derartigen Tritten möglich ist.
Die Bejahung oder Verneinung des Tötungsvorsatzes kann jedoch nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles erfolgen, in welchem insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen ist (BGH, Urt. v. 3.12.2015, 1 StR 457/15). Die Hürden dafür sind vergleichsweise hoch (Hemmschwellentheorie), so dass eine Verurteilung nicht unbedingt wahrscheinlich ist.
Ausweisung / Abschiebung
Hier könnte auch eine Ausweisung des Täters in Frage kommen. Für die Ausweisung ist immer eine Interessenabwägung zwischen dem Ausweisungsinteresse und dem Bleibeinteresse durchzuführen.
Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird nach § 53 I AufenthG ausgewiesen, wenn das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Das Ausweisungsinteresse wiegt nach § 54 I Nr. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
Ein Ausländer, der zum Beispiel als Asylberechtigter anerkannt ist oder der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, darf nach § 53 III AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn
- das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt
- die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und
- die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
Vor einer möglichen Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde nach § 58 Ia AufenthG zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird. Dies könnte hier gegebenenfalls der Vollziehung einer Abschiebung entgegenstehen.